Besuch in Banjhakateri im Herbst 2011

Die Anreise nach Tamghas war wie immer recht beschwerlich, jedoch ohne nennenswerte Komplikationen. Krishna und ich fuhren in einem Minibus eines privaten Unternehmens mit zwanzig anderen Reisenden. In Tamghas gibt es ein Hotel mit akzeptablem Standard, in dem wir übernachteten.

Die Weiterreise mit einem lokalen Jeep gestaltete sich schwieriger. Der gebuchte Jeep war defekt, und so versuchten alle Mitreisenden die verfügbaren Wagen zu entern. Die Aussicht, sechs Stunden auf dem Dach eines Jeeps zu verbringen, fand ich nicht so lustig. Deshalb organisierte Krishna ein Auto, das wir privat buchten, was natürlich teurer als eine normale Passage war. Letztendlich hatten wir es dann doch nicht für uns allein, irgendwie wurden wir nach üblicher Art und Weise von weiteren Mitreisenden okkupiert. Den vereinbarten Preis reduzierten wir entsprechend. Da wir erst am Mittag nach Banjhakateri aufbrachen, erreichten wir unser Ziel entsprechend spät. Zudem weigerte sich der Fahrer, bis zum Health Post zu fahren. Die Straßen- oder besser Wegeverhältnisse schienen ihm zu schlecht, der eigentliche Grund aber war, dass er einfach keine Lust mehr hatte zu fahren. So suchten wir uns zwei Träger für unser Gepäck und gingen die letzten zwei Stunden zu Fuß.

Im Dorf wartete man schon den ganzen Tag auf uns. Am Dorfeingang waren viele Menschen versammelt, und wir wurden mit „Pauken ohne Trompeten“ begrüßt. Danach startete sofort ein wildes Tanzfest mit der Überreichung von Malas (Blumenkränze) und vielen Tikkas(rotes Puder) als Zeichen der Ehrung und Wertschätzung. Krishna und ich sahen danach aus wie Indianer mit Kriegsbemalung. Die rote Farbe, eigentlich ein Puder, fand sich in allen Ritzen und auf jedem Kleidungsstück.

ziemlich rot
ziemlich rot

Auch ich als Tanzmuffel konnte mich der Damenwahl nicht widersetzen und drehte meine Runden auf dem Lehmboden. Darüber vergaßen wir unsere Müdigkeit und auch den Hunger.

Tanzen
Tanzen

Irgendwann verließen Krishna und ich das Fest, was kaum bemerkt wurde. Noch beim Einschlafen hörte ich die Musik und das laute Lachen. Diese Fröhlichkeit ließ mich alle Anstrengungen vergessen und ich fand in einen tiefen Schlaf.

Den nächsten Tag und die darauf folgenden Tage nutzen wir zu einer Bestandsaufnahme.

  • Der Gesundheitsposten und das Gästehaus befinden sich in unmittelbarer Nähe zu dem Grundstück, auf dem in Zukunft ein neues Gebäude errichtet werden soll.
  • Die Räume in den zwei Gebäuden wurden uns von Privatpersonen kostenlos zur Verfügung gestellt.
links: Centrum, rechts: Gästehaus
links: Centrum, rechts: Gästehaus
  • Es mussten entsprechende Umbaumaßnahmen erfolgen. Die genauen Kosten werden noch ermittelt und nachgereicht. In der bisherigen kurzen Zeit haben Krishna, Bishnu und die Dorfgemeinschaft bereits eine hervorragende Arbeit geleistet.
  • Die Behandlungsräume haben insgesamt nur 17,36 m², davon jeweils 4,76 m² für die Wundversorgung und den Kreißsaal und 7,84 m² für das Behandlungszimmer. Es ist also alles sehr eng wie überall in Nepal.
  • Die Apotheke befindet sich im Geschoss darunter, sie ist 4 m² groß und fensterlos.
  • Vor dem Haus sind Wartebänke gebaut worden. Wenn es regnet, gibt es wenig Schutz.
Warten auf die Behandlung
Warten auf die Behandlung
  • Alle Gegenstände, die in Kathmandu gekauft wurden, sind bis auf einen Stuhl und 2 zerbrochenen Medikamentenampullen heil ans Ziel gekommen.
  • Ich nahm einige kleine Korrekturen an der Einrichtung und der Aufteilung vor, unter anderem wurde ein Abfallkorb vor dem Haus aufgestellt und die Umgebung vom Unrat befreit. Wir konnten aber nur die Kinder motivieren bei der Aktion „unser Dorf soll schöner werden“ zu helfen. Der Doktor, der Papier aufsammelte, war zu komisch.
  • Unser Gästehaus ist durchaus praktikabel. Auf 3 m² wurde eine funktionierende Küche eingerichtet. Mit Holzbrettern wurde der Schlafraum, auch ca. 3 m², abgetrennt, versehen mit zwei Betten, Tisch und kleiner Bank. Es ist wie das Behandlungsgebäude ein typisches lokales Steinhaus, innen und außen mit Lehm geputzt.
  • Fließendes Wasser gibt es in keinem der Häuser, Wasser ist aber genügend vorhanden. Entsprechend wurden Eimer mit einem Auslasshahn gekauft. Yam Lhal befüllt diese regelmäßig.
Yam Lhal beim Kochen
Yam Lhal beim Kochen
  • Zusammen mit vielen anderen nutzen wir die Toilette des Vermieters. Entsprechend sieht sie aus. Hier besteht unmittelbarer Handlungsbedarf. Krishna wird sich des Problems annehmen.
  • Geduscht wird nach asiatischer Art: draußen oder überhaupt nicht. Ich habe mir immer Wasser heiß gemacht und dann mit einem Schöpfbecher das Wasser aus dem Eimer genommen. Warmes Wasser ist Luxus pur, da die Dorfbewohner mit Feuerholz sparsam umgehen. Wir haben einen Gaskocher. Wenn ich immer kalt duschen müsste, würde ich mir das auch manches Mal anders überlegen.  
  • Die Buchführung über die Kosten des Projekts vor Ort durch Bishnu war unübersichtlich und in dieser Form nicht akzeptabel. Es war keine böse Absicht und Bishnu war sicherlich überfordert mit der Vielzahl der zusätzlichen Aufgaben. Bislang gehörte eine Buchführung nicht zu seinen Aufgaben. Wir brauchten einen ganzen Tag, um uns einen Überblick zu verschaffen.
kleiner Kurs in Buchführung
kleiner Kurs in Buchführung
  • Wir haben ihm entsprechende Kontobücher eingerichtet und ihn in deren Handhabung eingewiesen. Es fehlte auch ein Meldesystem für die Apotheke, ihm gingen so langsam die wichtigen Medikamente aus.
  • In mehreren Teamsitzungen konnten meine Vorstellungen vermittelt werden und Vorschläge des Teams diskutiert werden.
  • Am 09.09.11, noch in der Umbauphase, hatte Bishnu seine Arbeit aufgenommen. Seitdem kommen täglich zwischen 10 -20 Patienten.
vor dem Behandlungsraum
vor dem Behandlungsraum
  • Bislang sind nur wenige Kinder unter den Patienten, was mich etwas wundert, da es viele Kinder im Dorf gibt. Die Hauptgruppe sind Menschen zwischen dem 25. – 40. Lebensjahr, mehr Frauen als Männer.
  • Es dominieren Krankheiten oder Symptome, die von der schweren körperlichen Arbeit herrühren, wie Knochen-, Muskel- und Gelenkschmerzen, weiter auch Magenschleimhautentzündungen und natürlich die vielen Infektionserkrankungen, die der mangelnden Hygiene geschuldet sind. Trotzdem ist mir die Menge der Antibiotika Verordnungen noch zu hoch. Über die Indikationen für eine Antibiotika Therapie habe ich mit Bishnu gesprochen.
  • Zwei Kinder wurden in unserem Zentrum bislang geboren, eines während meiner Anwesenheit. Es gab trotz der räumlichen Enge keine Probleme. Nur war es bitterkalt und sicher nicht angenehm für Mutter und Kind. Wir wollen mehr Decken anschaffen, auch eine Wärmelampe wird besorgt werden.
soeben angekommen
soeben angekommen
  • Unsere Hebamme Sarita braucht erheblich mehr Routine und muss noch ihren eigenen Stil finden, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Sie ist ein Kind des Dorfes und trotz Ausbildung nicht mit allen hygienischen Maßnahmen vertraut, die ich erwarte. Wir wollen ihr noch ein wenig Zeit geben, halten mit unserer Kritik aber nicht zurück.
  • Ein Plan der Schwangerenvorsorge und -betreuung nach den nepalesischen Richtlinien wurde besprochen. Entsprechende Mutterpässe werden nach unserer offiziellen Anerkennung durch das Gesundheitsministerium Nepals ins Zentrum kommen. Dann hat Sarita es etwas leichter.
  • Die Dorfmitglieder gründeten ein“ Management Commitee“ für das Gesundheitszentrum. So ein Gremium ist durchaus wichtig, weil es uns möglichen Ärger vom Hals hält. Das Komitee ist offizieller Ansprechpartner für die staatlichen Behörden. Damit haben wir es z.B. leichter, eventuelle finanzielle staatliche Unterstützungen zu bekommen, und auch Bishnu bekommt dadurch einen „breiteren Rücken“, falls jemand einen Behandlungsfehler reklamiert. Nach nepalesischer Art dauerte der Konstitutionsprozess dieses Komitees den ganzen Tag. Die Einberufung war für 11 Uhr angesetzt, um 14 Uhr waren alle versammelt. Die Wahl des Vorstandes dauerte zwei Stunden, danach noch das unverzichtbare offizielle Blah Blah Blah, Malas für den Präsidenten usw. Endlich durfte auch ich mal Tikkas anmalen. Offizieller Schluss war schließlich um 19 Uhr.
Tikkas geben
Tikkas geben
das Management Commitee
das Management Commitee

Einen Betriebsausflug gab es auch. Mit etwa 12 Personen sind wir 7 Stunden gewandert. Ich möchte nicht wissen, wie viele Höhenmeter das waren. Dafür gab es herrliche Ausblicke auf den Himalaya. Das Picknick zwischendurch schmeckte köstlich, kaltes Quellwasser ersetzte meinen enormen Flüssigkeitsverlust durch permanentes Schwitzen. Am Abend aber war ich nicht der Einzige, der kaputt war und früh schlafen ging.

Betriebsausflug
Betriebsausflug

Den Rest der Besuchstage verbrachten Bishnu und ich mit der Behandlung von Patienten. Diese kamen erst gegen Mittag, da es die Zeit der Reisernte war, da darf man eigentlich nicht krank sein. Die Arbeit für die Bauern beginnt um 5 Uhr morgens. Da der Reis in gebückter Haltung mit der Sichel geschnitten wird, entstehen immer wieder Schnittverletzungen, die genäht werden müssen. Das macht Bishnu gut.

Patienten
Patienten

Am 26.10.11 verließen wir dann Banjhakateri etwas plötzlich . Das Lichterfest Tihar war die eigentliche Ursache. Tihar hat in Nepal etwa den Stellenwert wie unser Weihnachten. Die ohnehin schon angespannte Situation des Personentransports wird dann zu einem wahren Problem. Da ganz unvorhergesehen ein Jeep im Dorf verfügbar war, nahmen wir das zum Anlass abzureisen. Auf halber Wegstrecke wurden wir jedoch hinaus komplimentiert und mussten den Rest der Strecke zu Fuß laufen. Es dauerte fünf Stunden. Auf unserer Abkürzung mussten wir dreimal einen Fluss überqueren. Beim dritten Mal landete ich prompt im Bach. Die letzten drei Stunden quatschte das Wasser in meinen Stiefeln.

ziemlich nass
ziemlich nass

Die Rückfahrt nach Kathmandu war nur in einem Privat PKW möglich, dafür aber auch komfortabler. Die Straßen waren für hiesige Verhältnisse recht leer und wir schafften die Strecke Tamghas-KTM in zehn Stunden.

Der Prozess der Anerkennung unseres Partnervereins „Nepal Help“ ist ziemlich weit fortgeschritten. Ich rechne mit dem Vollzug noch vor meiner Abreise. Das Verfahren in Nepal ist identisch mit dem in Deutschland, nur mit noch mehr Formalitäten behaftet. Nichts kann online erfolgen, überall müssen die Mitarbeiter persönlich erscheinen und immer lange warten. Gerda Rath, meine österreichische Kollegin, gehört mit ihrem Verein Heathcare Nepal ebenfalls dazu. So können wir uns die Kosten, die allerdings verhältnismäßig gering sind, teilen. Die legale Anerkennung ist unabdingbar. Das gilt auch für meinen Beitritt in die Ärztekammer Nepals, den ich beantragt habe.

Krishna wird im Dezember/Januar Banjhakateri erneut besuchen, die Bücher prüfen und nach dem Rechten sehen. Ich werde voraussichtlich im März 2012 wieder vor Ort sein. Einige Freunde und Mitglieder Brepals haben Interesse mich zu begleiten.

 

Kathmandu im November 2011

Brepal e.V.

KSK Syke-Barrien

 

IBAN:

DE52 2915 1700 1011 0918 71

SWIFT-BIC:

BRLADE21SYK

Spenden sind steuerlich absetzbar.

 

ENTWEDER - ODER

 

Wir können was bewegen,

wir können es auch lassen.

Wir können Liebe geben,

genauso wie wir hassen.

 

Wir können viele Sachen

tagtäglich neu entscheiden,

ob wir im Leben lachen

oder am Leben leiden,

 

ob wir ganz unauffällig

uns mäuschenstill verhalten

oder etwas rebellisch

die Zukunft neu gestalten,

 

ob wir bei schrillem Unrecht,

das wir mit anseh'n, schweigen

oder mit den Betrog'nen

auf Barrikaden steigen.

 

Wird uns etwas genommen,

so bleibt selbst dann die Wahl,

wie lange wir festhalten

an Unglück oder Qual.

 

Wir werfen Licht und Schatten

in unsrer Lebenszeit

und weder Hell noch Dunkel

bleibt bis in Ewigkeit.

 

Wir haben freie Auswahl

beim Ja so wie beim Nein,

doch wer sich nicht entscheidet,

kann nicht lebendig sein.

 

Renate Eggert-Schwarten

www.passendegedichte.de